Frauen und Politik - wenig sichtbar?


Irene Ecker

1. Annäherung an das Thema

Frauen sind im öffentlichen Raum in Österreich nach wie vor unterrepräsentiert.(1)

Einige Ausnahmen

Warum sind Frauen nach wie vor so wenig in politischen Funktionen in Österreich vertreten? Mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung ist weiblich, aber die politischen Repräsentantinnen in den verschiedenen politischen Institutionen stellen nirgendwo auch nur annähernd 50 % dar. Im Nationalrat liegt der Frauenanteil in Österreich zurzeit bei 27,32 %, in den Landtagen überschreitet nur Wien zur Zeit die 40 % - Marke knapp, eine Quote, die sich die SPÖ in ihren politischen Organisationen vorgenommen, aber nirgends erreicht hat. Auch in Wien tragen die Grünen, die als einzige Partei die Quote von 50 % weiblichen Repräsentantinnen verwirklichen, zu dem Ergebnis im Wiener Landtag maßgeblich bei. Im Schnitt liegen die Anteile an Politikerinnen in den Landtagen bei 28,9 %. Gerade in der Regionalpolitik, in der es ja um wichtige lokale Entscheidungen und damit um Macht im unmittelbaren Umfeld geht, sind Frauen nur äußerst schwach vertreten. Der Anteil an Bürgermeisterinnen liegt in Österreich bei 3 %. Auch in anderen wichtigen Institutionen des öffentlichen Lebens sind Frauen wenig vertreten. (www.parlament.gv.at/LI/ZUSDATEIEN/Frauen_im_Parlament_ Portal.shtml  Zugriff 10. August 2010)

Abb. 25 Wo bleibt die Frauenquote?

Die Sozialpartnerschaft und damit auch ihre Verbände spielen eine zentrale Rolle in der österreichischen Politik. Wichtige Entscheidungen werden von den entsprechenden Institutionen beeinflusst, doch Frauen sind auch in diesem Bereich unterrepräsentiert. Im ÖGB-Präsidium sind von 10 Mitgliedern nur 2 Frauen. Im Präsidium der Wirtschaftskammer Österreich sind es 2 Frauen von 8 Mitgliedern, in der Industriellenvereinigung sind im Präsidium von 14 Positionen alle männlich besetzt.

Es gibt aber auch sonst wichtige politische Ämter in Österreich, die bis dato noch nie von einer Frau besetzt worden sind, das wären neben dem Bundeskanzler/innen- und dem Bundespräsident/innenamt auch die Positionen Finanz-(2), Wirtschafts-, Verteidigungsminister/in und die Parteiobleute von ÖVP und SPÖ.

 

2. Historischer Überblick

Abb. 29 Nationalratswahlplakat SPÖ 1970

Abb. 30 Nationalratswahlplakat 1994 Die Grünen Madeleine Petrovic

Der Weg zum Frauenstimmrecht war ein langer und zäher. Nicht der Erste Weltkrieg war maßgeblich entscheidend, dass Frauen 1918 das Wahlrecht erhielten, sondern der vorhergehende lange, mühsame Kampf der Frauenbewegung. Hier hatte die bürgerliche Frauenbewegung vor allem durch ihren radikalen Flügel mit Rosa Mayreder, Auguste Fickert und Marie Lang sicher eine entscheidende Rolle inne. Nach dem Krieg gab es zwar acht Parlamentarierinnen im ersten Parlament, sieben davon waren Sozialdemokratinnen, aber die Anliegen, die sie umsetzen wollten, fanden erst 50 Jahre später eine Mehrheit. Die bürgerlichen Frauenvereine spielten in der Ersten Republik keine tragende Rolle mehr. (Ellmeier 2006)

Für die proletarische Frauenbewegung war die Frauenemanzipation keine für sich isoliert stehende Forderung, die soziale Frage sollte zusammen mit den Männern gelöst werden, die Frauenfrage war sozusagen ein Nebenschauplatz. So ließen die Frauen den Männern den Vortritt beim allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrecht, das diese ja schon 1907 in Österreich erreichten. Außerdem war auch die proletarische Familie eine stark patriarchalische, auch wenn die Frau arbeitete, musste sie daneben noch die ganze Versorgungsarbeit für die Familie leisten.

Nur auf wenigen Wahlplakaten, auch in der Zweiten Republik, wurden Frauen abgebildet. Zu Beginn der Zweiten Republik gab es bei allen Parteien eine Kontinuität zu den Geschlechterrollen der Ersten Republik und der NS-Zeit. Wenn Frauen dargestellt wurden, dann noch bis vor gar nicht allzu langer Zeit als glückliche Hausfrauen und Mütter, oder sie wurden auf den Plakaten als Mütter angesprochen. Erst die Grünen setzten mit ihren Plakaten Mitte der 80er Jahre neue Standards.

Auch das Wahlverhalten ist unterschiedlich: „Frauen wählen anders“ – während in der Ersten und zu Beginn der Zweiten Republik bis in die 70er Jahre Frauen eher konservative Parteien bevorzugten, zeigte die Familien- und Strafrechtspolitik(3) der Ära Kreisky einen Einfluss auf weibliches Wahlverhalten. Kein Wunder, wurden doch erst jetzt, also in den 70ern, die von den ersten weiblichen Abgeordneten im Parlament 1919 eingebrachten Anträge von der herrschenden Politik vertreten, nämlich den Sozialdemokraten. Der Trend der Wähler/innen zu konservativen Parteien wurde damit gebrochen. In späteren Jahren hat sich das Wahlverhalten von Frauen und Männern sehr angeglichen, bis in die Mitte der 80er Jahre. Die FPÖ wurde zunehmend zur Männerpartei, die neuen „Grünen“ sowie auch das LIF wurden von den Frauen favorisiert. Beide hatten ja auch in den 80ern – als erste österreichische Parteien – Spitzenkandidatinnen. Dieser Trend hält auch heute noch an.

Die 50%-Quote bei Mandatarinnen/ Mandataren wird von den Grünen auch mit dem Argument vertreten: Frauen sollen durch Frauen vertreten werden, weil sie sich für deren Themen stark machen. Bedenkt man, wie lange es gebraucht hat, dass die Anliegen der ersten Mandatarinnen im Parlament verwirklicht wurden, und wie sich das auf das Wahlverhalten von Frauen auswirkte, ist das ein schlagendes Argument.

Was hat das alles mit gesellschaftlichen Normen hierzulande zu tun? Lehnen Frauen die „politische Kultur“ in Parteiorganisationen ab, ist ihnen der zeitliche Aufwand für politisches Engagement nicht wert? Greifen da noch die alten Rollenbilder? Oder werden Frauen nicht gewählt, weil ihnen weniger Autorität und Kompetenz zugebilligt werden? Im Sinn des Unterrichtsprinzips „Geschlechtergerechtigkeit“ und der Ziele des Gender Mainstreamings muss es im politisch-bildenden Unterricht ein Anliegen sein, den ungleichen Zugang der Geschlechter zu politischer Repräsentanz aufzuzeigen, die historische Entwicklung dieser Ungleichheit darzustellen und im Sinne von Handlungsorientierung Maßnahmen anzudenken, diese Ungleichheit zu beseitigen. Sind Quotenregelungen mit unserer politischen Kultur vereinbar? Bei den Grünen funktionieren Quoten, jedes zweite Mandat im Nationalrat hat eine Frau. Die SPÖ hat sich in ihrem Parteiprogramm zu einem 40 %igen Frauenanteil verpflichtet, hält diese Quote aber nicht ein – aktuell sind im Nationalrat 36,8 % Frauen vertreten. Bei der ÖVP gibt es keine verbindliche Vorgabe, der Frauenanteil im Nationalrat liegt zurzeit bei 23,5 %. FPÖ und BZÖ lehnen Frauenquoten ab. Der Frauenanteil bei der FPÖ beträgt aktuell 17,65 %, beim BZÖ 11,76 %. (www.parlament.gv.at/LI/ZUSDATEIEN/Frauen_im_Parlament_Portal.shtml  Zugriff 10. August 2010)

dgpb © Irene Ecker

LITERATUR

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