Editorial


Klaus Edel

Internationale Migration ist kein neues Phänomen des 20. bzw. noch jungen 21. Jahrhunderts, denn seit der Urgeschichte gibt es Menschen, die aus ökonomischen (z.B. Suche nach neuen Anbau- und Weideflächen, Hungersnot) oder sozialen (z.B. Erbrecht) Gründen ihr Heimatland verlassen, um sich an einem anderen Ort eine neue Existenz aufzubauen bzw. die durch Kriege, religiöse, politische oder rassistische Verfolgung zur Flucht aus ihrer Heimat veranlasst werden. Andere machen sich auf den Weg, um Beschäftigung oder bessere Arbeitsbedingungen zu finden. In den letzten Jahren sind internationale Wanderungsbewegungen angestiegen und Migration ist zu einer globalen Herausforderung geworden.

Internationale Migration – Binnenmigration

Abb.1 Ellis Island Tor der Hoffnung?

Der fachwissenschaftliche Teil des Themendossiers beinhaltet drei verschiedene Beiträge. So befasst sich das Team Tina Gusenbauer, Katharina Petrin, Oliver Rathkolb und Florian Wenninger mit den verschiedenen Phasen der österreichischen Auswanderung in die USA. Es gibt in vier Exkursen Einblick, was es bedeutete sich auf die Schiffspassage nach den USA einzulassen sowie in die Praxis der Reedereien, der Makler/innen, die sowohl für Plantagen- wie Fabriksbesitzer/innen arbeiteten. Ebenso beschreibt das Team Ellis Island als Tor der Hoffnungen für alle, die nach langem Warten die Einreisegenehmigung erhielten, oder als das Tor der Tränen für jene, denen die Einwanderung verwehrt wurde. Tränen für jene, denen die Einwanderung verwehrt wurde. Interessant erscheint die Funktion der deutschen Saloons. Der letzte Exkurs befasst sich mit Emigrantinnen/Emigranten in der Politik und dem deutschen Anarchismus. Einen besonderen Stellenwert, weil bisher eher wenig beachtet, nimmt das Kapitel über Rückwanderinnen/Rückwanderer ein.

Annemarie Steidl lenkt in ihrem Beitrag den Blick auf die Binnenmigration und setzt sich dabei mit der Form und der Bedeutung der Wanderungen der Handwerker/innen auseinander, für die es spezielle Routen, Netzwerke und sogar Nachschlagewerke oder auch Reiseführer gab. Die Entwicklung der Territorialstaaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts ließ neue Barrieren bei den Routen entstehen und der Staat versuchte seit dem 18. Jahrhundert in steigendem Ausmaß in das System regulierend einzugreifen, indem er z.B. Wanderbücher vorschrieb und tendenziell bestrebt war, die eigenen Arbeitskräfte an das Land zu binden. Mit dem Verbot durch die Nationalsozialisten und später auch in der DDR ist die Tradition fast zum Erliegen gekommen. Erst seit den 1980er-Jahren ist ein Aufwärtstrend erkennbar, wobei hier nun auch Frauen diese Alternative des „Ausbildungweges“ ergreifen.

Der dritte Beitrag von Christa Markom, Christiane Hintermann und Heidemarie Weinhäupl beschäftigt sich mit der Darstellung von Migrationen in aktuellen österreichischen Schulbüchern. Dabei zeigt sich, dass den Themenkreisen Migration, Integration, aber auch kulturelle Vielfalt ein relativ breiter Raum insbesondere unter dem Gesichtspunkt von Schwerpunktseiten gewidmet wird, diese aber kaum als Querschnittsthemen behandelt werden. Zentrale Aspekte sind primär die Verfolgungen und Vertreibungen von Jüdinnen und Juden, eher seltener von Sinti und Roma in der Zeit des Nationalsozialismus. Österreichische Auswanderung ist kaum ein Thema und bei der Immigration wird meist nur die Flucht ungarischer Staatsbürger 1956 erwähnt. Dabei wird aber kaum thematisiert, dass für einen Großteil der Flüchtlinge Österreich nur Transitland war. Bei Arbeitsmigration kommt nur die Gastarbeiter/innenanwerbung in den 1960er-Jahren in den Büchern vor, nicht aber die österreichische nach der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz. Die Frage der Minderheiten in Österreich bzw. von Multikulturalität wird kaum artikuliert, obwohl gelebte Realität in den Ballungsräumen wird sie nicht als Bestandteil der österreichischen Identität verstanden.

Unterrichtsbeispiele

Abb. 2 Unterichtsbeispiele

Die Unterrichtsvorschläge zum Thema Asyl und Migration umspannen ein weites Feld, das von der Frühen Neuzeit bis zur aktuellen Gegenwart reicht und den Fokus sowohl im globalen wie lokalen Bereich hat. Mit einer Vielzahl von methodischen Vorschlägen werden die historischen und politisch bildenden Kompetenzen gefördert und gestärkt. Die Anregungen bieten auch die Möglichkeit zu fächerübergreifendem Unterricht sowie zu Projekten. Es liegt in der Verantwortung der Lehrer/innen den schulischen Gegebenheiten, den Interessen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Klasse sowie dem vorhandenen Zeitbudget Rechnung tragend eine Auswahl zu treffen und diese entsprechend zu adaptieren.

Aufbau der Themendossiers

Die Themendossiers werden von interdisziplinär zusammengesetzten Teams (Wissenschafterinnen/Wissenschaftern und Fachdidaktikerinnen/Fachdidaktikern) nach einem einheitlichen didaktischen Konzept entwickelt. Sie bieten den Schülerinnen/Schülern vielfältige Möglichkeiten strukturelles Denken zu entwickeln, darüber zu reflektieren und eigenverantwortlich in neuen Situationen erfolgreich anzuwenden. Sie sind theorie- und forschungsgeleitet, prozessorientiert, medial unterstützt sowie von der 8. bis zur 13. Schulstufe modular einsetzbar.

Dieser Konzeption entsprechend enthält das vorliegende Themendossier zum einen fachwissenschaftliche Einführungstexte für Lehrer/innen über unterschiedliche Aspekte von Migration, zum anderen eröffnen fachdidaktische Anregungen vielfältige Möglichkeiten sowohl die historische als auch die politische Dimension von Asyl und Migration zu reflektieren. Neben der prozesshaften Beschreibung eines möglichen Unterrichtsablaufs wird auch in jedem Beispiel eine Möglichkeit der Ertragssicherung und der Rückkoppelung angeboten. Es wurde jedoch bewusst auf genaue Vorgaben von Stundenbildern verzichtet, die Unterrichtsvorschläge zeigen vielmehr exemplarisch Wege auf, wie die Themenbereiche und Arbeitsaufgaben an die jeweilige Zielgruppe angepasst werden können. Dabei wurde großer Wert auf Praxisnähe gelegt. Ein Großteil der Materialien wird auch als Kopiervorlage (teilweise inklusive Lösungsblätter) angeboten.

Die Redaktion hofft, dass das vorliegende sechste Heft der Themendossiers eine sinnvolle Bereicherung für die Planung und Durchführung des historisch-politisch bildenden Unterrichts darstellt. Über Ihre Anregungen und kritischen Ergänzungen freut sich die Redaktion (p.A. hanna-maria.suschnig@univie.ac.at).

dgpb © Klaus Edel